Turmrenovierung in luftigen Höhen - noe.ORF.at

2022-03-18 03:05:29 By : Mr. David Leung

Seit Frühjahr 2020 arbeiten Steinmetze an der Fassade des Stifts Klosterneuburg (Bezirk Tulln). Die beiden Stiftstürme erhalten eine aufwändige Generalsanierung. Die Arbeit erfordert nicht nur Kunstfertigkeit, sondern auch Schwindelfreiheit.

In 56 Meter Höhe erstreckt sich das Gerüst am Südturm des Stifts Klosterneuburg. Überall ist die Luft erfüllt vom Schlagen der Hämmer, dem Kreischen der Winkelschleifer und – vor allem – vom Staub. Es ist Halbzeit auf der Großbaustelle. Mit dem Südturm wird man gerade fertig. Im heurigen Jahr ist dann der Nordturm dran. An ihm ziehen die Gerüstbauer gerade ein riesiges Skelett aus Stahl und Fangnetzen hoch.

Wer auf dieser Baustelle als Steinmetz arbeitet, darf vor allem eines nicht haben: Angst vor der Höhe. Jeder Schritt, jeder Schnitt und jeder Schlag muss in dieser Höhe sitzen. Denn: „Ein abstürzendes Steinteil stellt eine enorme Gefahr da“, erzählt Niklas Göttersdorfer. Er ist als Stifts-Baumeister für die Sicherheit rund um die Kirche verantwortlich.

Die Steinteile, von denen er spricht, sind filigrane Blüten, Spitzen und Türmchen. Doch die liebevollen Verzierungen täuschen leicht über das tatsächliche Gewicht des Sandsteins hinweg. Mehrere Kilo wiegen die für die Stiftsfassade typischen Kreuzblumen und Krabbentürme, im Fachjargon Vierungen genannt, im Schnitt. „Wenn eine Person davon getroffen würde – das können wir nicht verantworten“, sagt der Baumeister.

Dabei hat mit fallenden Steinen alles überhaupt erst begonnen. 2015 löste sich ein Steinteil über einem Seiteneingang der Kirche und stürzte in die Tiefe. Für Göttersdorfer war da klar: „Es besteht Handlungsbedarf.“ Es folgten mehrere Sicherheitsbefahrungen, bei denen Göttersdorfer herausfand, dass mehr Steine als gedacht locker und porös sind. Sogar ein zwölf Meter hoher Zierturm drohte einzustürzen.

Schuld daran ist der Zahn der Zeit. Ein Großteil der Vierungen stammt aus der romanischen Bauphase des Stifts im 16. Jahrhundert. Durch Wind und Wetter öffnen sich mit der Zeit die Fugen und es entstehen Risse. Wenn in diese Fugen Wasser eindringt und gefriert, zersetzt das den Stein von innen. Eine Generalrenovierung war für Göttersdorfer deshalb unabdingbar.

In Summe sind es zwischen 400 und 450 Steinteile, die jetzt an der Fassade abgenommen und durch detailgetreue Kopien ersetzt werden müssen. Gearbeitet wird wie anno dazumal mit Hammer und Meißel. Zum Glück hat der technische Fortschritt in den letzten 300 Jahren allerdings auch moderne Hilfsmittel wie Winkelschleifer und Handfräsen auf die Baustellen gebracht.

„Je mehr die moderne Technik verwendet wird, umso mehr bekommt man Respekt davor, was unsere Vorfahren eigentlich geleistet haben“, erzählt Steinmetzmeister Wolfgang Ecker. Das Material der Ersatzsteine bezieht er aus Steinbrüchen in Sankt Margarethen im Burgenland und aus St. Andrä-Wördern (Bezirk Tulln). „Wir vermuten, dass von dort auch das Originalmaterial stammt“, sagt Ecker.

Stück für Stück werden die neuen Vierungen auf die angestammten Plätze montiert. Die Renovierung der beiden Türme kostet das Stift in Summe knapp fünf Millionen Euro, für die Steinmetze sind das umgerechnet 40.000 bis 50.000 Arbeitsstunden. Im Herbst 2022 soll die Baustelle abgeschlossen sein. Die Stiftsfassade erhält dann wieder ihre volle Pracht und vor allem auch ihre Sicherheit zurück.

Tobias Mayr, noe.ORF.at