Werkules: Frankfurter Start-up erfindet App für Baustellen

2022-09-02 21:14:38 By : Ms. Shandy Shi

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Auf ihrer Baustelle: Die Werkules-Gründer (von links) Alexander Fritsch, Kay und Mario Simon in ihrem Büro in Frankfurt Bild: Michael Braunschädel

Das junge Unternehmen Werkules will der Zettelwirtschaft ein Ende bereiten. Die Branche muss digitaler werden – das wissen die Gründer aus eigener Erfahrung.

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W ie viele Sägen sind auf der Baustelle im Einsatz? Wann haben meine Mitarbeiter heute Morgen angefangen zu arbeiten? Und wann kommt eigentlich die nächste Lieferung mit den Fliesen? Auf einer Baustelle arbeiten unterschiedliche Unternehmen und Lieferanten zusammen. Den Überblick zu behalten ist nicht immer leicht. Besonders wenn man sich erst durch dicke Ordner wühlen muss, um das Dokument mit der richtigen Information zu finden. Das Frankfurter Start-up Werkules will nun der Zettelwirtschaft im Handwerk ein Ende bereiten.

Ein offenes Büro, viel Glas, von der senffarbenen Couch ein Blick über die Frankfurter City: Im Büro von Werkules könnte der Baustellendreck ferner nicht sein. Doch der Eindruck täuscht. Das Handwerk kennen die Gründer, die Brüder Mario und Kay Simon aus Gießen und Alexander Fritsch aus Idar-Oberstein, aus eigener Erfahrung. Mario Simon ist Bauingenieur und leitet ein Bauunternehmen mit knapp 100 Mitarbeitern.

„Viele Betriebe haben keine Übersicht, wie viel Gewinn die einzelnen Baustellen und Aufträge überhaupt abwerfen“, sagt er. Vieles laufe im Handwerk noch auf Papier. Rechnungen würden per Hand in Excel-Tabellen auf dem Computer übertragen. Nicht immer fehlerfrei, denn ein Elektriker rechne seine Leistungen anders ab als der Spediteur, der das Rohmaterial anliefert. Hinzu käme die Dokumentation von Arbeitszeiten, Versicherungen, Krankmeldungen.

„Das geht doch einfacher, haben wir uns gedacht“, sagt Kay Simon. Um der Papierflut im Betrieb seines Bruders entgegenzuwirken, entwickelten sie gemeinsam mit Alexander Fritsch, den er vom BWL-Studium kennt, ein Programm, das alle Abläufe auf der Baustelle digital nachvollziehbar macht. Nach und nach stellten sie die Abläufe um, testeten ihre Ideen an seinen Projekten. „Wir denken nie auf Code-Ebene, sondern vom Handwerker aus“, sagt Alexander Fritsch.

Er und seine Kollegen verstünden sich als Übersetzer zwischen Programmierern und Handwerkern. 2019 gründeten sie schließlich Werkules. In 80 Betrieben kommt ihr Programm mittlerweile zum Einsatz. „Hier kann ich sehen, auf welcher Baustelle der Winkelschleifer gerade im Einsatz ist und in welchem Zustand er ist“, erklärt Alexander Fritsch und klickt sich auf seinem Bildschirm durch die Inventarliste eines fiktiven Betriebs.

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Auf Knopfdruck ruft er dann ausstehende Forderungen dreier Subunternehmer auf. Über die Hauptseite der Baustelle generiert er eine Aufstellung über alle Ausgaben und Einnahmen. Das Projekt wirft Gewinne ab, alle Diagramme sind im grünen Bereich. Auf dem Smartphone nimmt Kay Simon die Rolle des Mitarbeiters ein. Über die App bekommt er von seinem Chef zu Dienstbeginn Hinweise zur Baustelle und den Aufgaben, die er zu erledigen hat.

Dann meldet er sich mit einem Klick zum Dienst. „Theoretisch könnte ich mein Unternehmen jetzt aus der Karibik führen“, sagt Mario Simon. Die Infrastruktur in Deutschland stellte zu Beginn eine Hürde dar: „Wir bekamen Anrufe von Kunden, die auf dem Land kein Netz hatten“, sagt Alexander Fritsch. Das Team dachte also über eine Lösung nach, wie die Lücken in der Netzabdeckung umgangen werden können.

Werkules ergänzte sie um die Möglichkeit, Daten, die auf der Baustelle dringend benötigt werden, offline zugängig zu machen. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, für die mehr als 500 deutsche Handwerker befragt wurden, setzte 2020 etwa jeder zweite Betrieb digitale Technologien und Anwendungen ein. Ähnlich viele Unternehmen gaben jedoch auch an, dass die Digitalisierung eine Herausforderung sei. „Das Handwerk ist eine konservative Branche“, sagt Kay Simon.

Entgegen dem Trend zu digitaler Werbung generiert er die meisten seiner Kunden noch auf Messen. Dort sei oft Überzeugungsarbeit nötig. Veränderungen würden eben langsamer angenommen als in anderen Wirtschaftszweigen. Dass sie ihr Programm von Anfang an im laufenden Betrieb getestet haben, erweise sich als Vorteil, sagt Alexander Fritsch: „Es hilft, dass wir die Sprache des Handwerks sprechen.“

Auch ihr Start-up wollen die Gründer wie einen Handwerksbetrieb führen. „Es geht uns ums Malochen, um ehrliche, konstruktive Arbeit“, sagt Kay Simon. Neun Mitarbeiter beschäftigen sie in Vollzeit, hinzu kommen noch einige Werkstudenten. Den Tischkicker, mit dem sich andere Digitalunternehmen rühmen, gibt es in ihrem Büro nicht. Auf einen Inkubator, Accelerator oder andere Hilfsprogramme für Start-ups haben sie ebenfalls verzichtet.

Bislang finanzierten die Gründer ihr Unternehmen ausschließlich aus eigenen Rücklagen. Vor Kurzem gewährte die Sparkasse Gießen ihnen einen Kredit. Dass eine konservative Bank an ihr digitales Produkt glaube, „das war ein Ritterschlag für uns“, sagt Mario Simon. Lieber wollten sie langsam, aber nachhaltig wachsen. Bis Ende des Jahres wollen sie schwarze Zahlen schreiben. An Ambitionen mangelt es den Gründern nicht.

Werkules solle einmal zum „Branchenstandard“ im deutschsprachigen Raum werden. In der Region haben sie sich schon einen Namen gemacht: Das Start-up ist in diesem Jahr für den Frankfurter Gründerpreis nominiert. Ob Werkules in diesem Jahr zu den Gewinnern gehört, erfahren Mario und Kay Simon sowie Alexander Fritsch bei der Preisverleihung im Kaisersaal des Römers am 12. September.

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Start-up „Werkules“: Eine App für die Baustelle

Eine App für die Baustelle

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