Energie für Möbelfirmen: Wie der elektrische Strom nach Frommern kam - Balingen & Umgebung - Schwarzwälder Bote

2022-08-26 21:24:57 By : Mr. Larry Camel

Zum 100. Mal jährt sich an diesem Samstag, 27. August, der Todestag des Frommerner Unternehmers Johann Conrad Stotz. Der Stadtteil hat ihm seinen raschen Wandel vom Bauerndorf zum württembergischen Zentrum der Möbelindustrie zu verdanken.

Balingen-Frommern - Johann Conrad Stotz entstammte den alteingesessenen Müllerfamilien Stotz und Strobel, die jahrhundertelang im Besitz der Oberen Mühle in Frommern waren, die auch den Namen "Tegernauer Mühle" trug. Denn Balingens Obervogt Johann Friedrich von Tegernau, der von 1600 bis 1629 als herzoglicher höherer Beamter die Rechts- und Fachaufsicht über die Ämter Rosenfeld, Balingen, Ebingen und Tuttlingen führte, erwarb 1608 als Privatmann die Mühle, die um 800 vom schweizerischen Kloster St. Gallen errichtet worden war.

Er erweiterte sie um ein Sägewerk sowie eine Schleif-, Würz- und Stampfmühle und beauftragte Heinrich Schickhardt (1558 – 1635), den bedeutendsten württembergischen Baumeister der Hochrenaissance, mit der Errichtung eines zweistöckigen Fachwerkbaus mit einer kunstvollen Inneneinrichtung, die im Volksmund den Namen "Schlößle" erhielt.

Für diese Mühle bestand jahrhundertelang der Mühlenbann: Sämtliche Bauern von Frommern, Waldstetten, Weilheim und zeitweilig auch von Endingen waren verpflichtet, ihr Getreide in der Oberen Mühle mahlen zu lassen. Erst 1849 wurde dieser Mühlenbann aufgehoben.

Der am 15. April 1849 in Frommern als erstes Kind der Eheleute Johann Conrad und Anna-Maria Stotz geborene Johann Conrad hatte ebenfalls das Müllerhandwerk erlernt und war nach der Meisterprüfung im elterlichen Betrieb tätig. Diesen übernahm er 1874 nach der Hochzeit mit der aus Stockenhausen stammenden Anna Herre – von seinem Vater tatkräftig unterstützt.

Stotz war davon überzeugt, dass ein gewisser Wohlstand nur durch die Ansiedlung von Industrie zu erreichen sei, und dass dies elektrische Energie voraussetzt. Nachdem der Inhaber der Balinger "Gießenmühle" 1897 ein Elektrizitätswerk zur Stromversorgung des Balinger Stadtgebiets gegründet hatte, folgte der Frommerner Obermüller diesem Beispiel und gründete 1907 – unterstützt von seinem 24-jährigen Sohn Konrad, der ebenfalls das Müllerhandwerk erlernt hatte – im Mühlengebäude das Elektrizitätswerk. Drei Frommerner Industriebetriebe, mehrere Handwerker und einige Gastwirte hatten die "Lichtabnahme" beziehungsweise "Kraftabnahme" zugesagt. Auch die Gemeinde Waldstetten schloss bereits Anfang Juli 1907 einen Vertrag mit Johann Conrad Stotz ab, um die einzige Fabrik im Ort sowie das Rathaus und die Haushaltungen beliefern zu können.

Nur drei Jahre nach Beginn der Frommerner Stromversorgung, am 7. Juli 1910, führte ein Blitzschlag zu einem Großbrand. Das Mühlen- und E-Werksgebäude brannte in wenigen Sekunden lichterloh. Immerhin konnten das angebaute Kesselhaus, das Sägewerk, der Lagerschuppen und die Wohnung gerettet werden. Nur wenige Tage vorher war begonnen worden, eine stärkere Akkumulatorenanlage und stärkere Maschinen im Wert von 3000 Mark – damals eine hohe Summe – aufzustellen, die allesamt dem Brand zum Opfer fielen und noch gar nicht versichert waren.

Doch Unternehmer Stotz ließ sich nicht entmutigen, im Gegenteil: Ihm war bewusst, dass die Möbelfabrik Friedrich Erhard, die Trikotfabrik Chr. Ludwig Maag und die Dampfziegelei F. & W. Baur ebenso wie die sieben Gastwirte und die Bauern mit ihren Futterschneidmaschinen und etwa 100 Haushalte so rasch wie möglich wieder mit elektrischem Strom versorgt werden mussten. Er entschloss sich, das Sägewerk aufzugeben und sich auf die Stromversorgung für die Gemeinden Frommern und Waldstetten zu konzentrieren und nur noch in kleinstem Umfang den Mühlenbetrieb beizubehalten.

Noch 1910 gingen im Ort die Lichter wieder an. Im Oktober beauftragte der Frommerner Gemeinderat den Müller Stotz, auch das Schulhaus auf dem Fronhof samt den Lehrerwohnungen "mit elektrischem Licht zu versehen" und 25 Lampen zu liefern. Dieses rasche Handeln des E-Werk-Besitzers ermutigte eine ganze Reihe von Schreinern, die in der ersten Frommerner Möbelfabrik Friedrich Erhard als Lehrling, Geselle und als Meister tätig waren, eigene Möbelfabriken zu gründen. So entstanden 1911 die Möbelfirmen Adam Maier KG und Jakob Münze KG, und in den darauffolgenden Jahren wurden elf weitere Möbelbetriebe und einige Trikotbetriebe gegründet. Für den Freileitungsbau und die Hausanschlüsse sorgten der erste Frommerner Elektromeister Konrad Vollmer und später dessen Sohn Wilhelm Vollmer, deren Ladengeschäft sich an der heutigen Balinger Straße (neben der jetzigen Bäckerei-Filiale Mahl) befand.

Völlig unerwartet starb Johann Conrad Stotz am 27. August 1922: Während der mit 73 Jahren noch rüstige Unternehmer gerade dabei war, mit mehreren Fuhrwerken den Öhmd-Ertrag seiner Dürrwanger Wiesen heim zu transportieren, wurde er von einem Motorrad erfasst und zur Seite geschleudert. An den Folgen eines Schädelbruchs verstarb er am selben Tag. Sohn Konrad führte das E-Werk knapp vier Jahrzehnte erfolgreich weiter.